In the long run

Im SPIEGEL beschreibt Harald Welzer, wie es in gesellschaftlichen Krisen dazu kommt, daß die Menschen oft gar nicht merken, wie schlimm die Situation eigentlich ist. Als Beispiel führt er Franz Kafka an, der am 1. August 1914 die Kriegserklärung Deutschlands an Rußland mit einem Tagebucheintrag über seinen Schwimmunterricht quittierte.

Aus ökonomischer Sicht hat man dagegen oft das Gefühl, daß es sich genau andersherum verhält, weil nicht selten ein gewöhnlicher konjunktureller Abschwung publizistisch zur finalen Systemkrise des Spätkapitalismus stilisiert wird.

Nun haben wir im Moment sicherlich keinen konjunkturellen Abschwung wie jeden anderen. Das Jahr 2009 wird wohl ungewöhnlich unangenehm, die Wachstumsprognosen gehen im negativen Bereich bis zu -2,7%. Rezessionen sind niemals schön, wenn man mittendrin steckt und sich um sein Einkommen sorgt.



Bruttoinlandprodukt in Deutschland pro Kopf,
bewertet zu Preisen von 2000.
Quelle: Penn World Tables 6.2.

Ein wenig Trost spendet es da vielleicht, wenn man sich einfach nochmal anschaut, wie klein die Dellen vergangener Rezessionen im langfristigen Wachstumstrend aussehen. Selbst wenn es diesmal schlimmer werden sollte als in allen Rezessionen seit 1970 -- langfristig war, ist und bleibt der Kapitalismus die Grundlage enormer Wohlstandszuwächse.