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Eine etwas differenziertere Berichterstattung wäre nett

Ich verstehe nicht ganz, wieso Olaf Storbeck zu seinem im Handelsblatt berichteten Eindruck kommt, die Notwendigkeit eines fiskalischen Stimulus sei unter amerikanischen Ökonomen unstrittig.

Ein ausgesprochener Skeptiker ist Greg Mankiw, und wer auf dessen Blog ein wenig sucht, der findet Links zu vielen anderen teils sehr prominenten Ökonomen, die keynesianische Ausgabenprogramme auch in der aktuellen Lage ablehnen. Tyler Cowen ist auch so einer, ebenso Eugene Fama.

Wo ist denn da bitte ein Konsens für deficit spending?

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Kollabiert das Wachstum in China?



Quelle: Financial Times.

Ups. Mal sehen, wie sich das in den nächsten Monaten entwickelt. Und man muß bedenken, daß die gepunktete Linie den Verlauf der offiziellen chinesischen Wachstumsrate darstellt. Falls die Realität dem Indikator folgt, dann wird das chinesische BIP wohl demnächst de facto schrumpfen.

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Das Konjunkturpaket 2009

Seit einigen Wochen wird im Fahrwasser der amerikanischen Finanzpolitik auch in Deutschland ein konjunkturpolitischer Kurswechsel vollzogen. Nachdem die Haltung der Bundeskanzlerin noch vor kurzer Zeit durch ausgeprägte Skepsis gegenüber expansiver Fiskalpolitik und Sympathie für schwäbische Hausfrauen gekennzeichnet war, wird nun ein Konjunkturpaket im Umfang von 50 Mrd. Euro für die Jahre 2009 und 2010 geplant. Den größten Teil des Paketes machen öffentliche Investitonen in Höhe von rund 17 Mrd. Euro aus. Dazu kommen Entlastungen in der Einkommensteuer im Umfang von etwa 9 Milliarden Euro. Ebenso teuer wird die moderate Senkung der Krankenversicherungsbeiträge. Schließlich wird es eine Reihe kleinerer Maßnahmen geben, etwa einen einmaligen Kinderbonus in Höhe von 100 Euro oder auch eine Abwrackprämie für mindestens neun Jahre alte Autos in Höhe von 2.500 Euro. Darüber hinaus war auch der vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten vorgeschlagene Deutschlandfonds offenbar nicht mehr zu verhindern. Der Staat wird sich also zusätzlich zum Konjunkturpaket im Umfang von 100 Mrd. Euro mittels Bürgschaften für Not leidende Unternehmen engagieren.

Mehr in der Abteilung für lange Blogeinträge.

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Forscht nicht mit...!?

Was Wissenschaft ist, könnte einem am besten ein Wissenschaftstheoretiker sagen, aber aufgrund meiner Erfahrungen würde ich es so formulieren: Ein im Idealfall sachlicher, gelegentlich harter und oft unterhaltsamer Diskussionsprozeß mit dem Ziel, die Welt besser erklären zu können. Vor allem aber auch ein offener Diskussionsprozeß, an dem eigentlich jeder teilnehmen kann und soll, der etwas beizutragen hat.

Alle paar Jahre kommen allerdings irgendwelche Aktivisten auf die Idee, aus politischen Gründen den Ausschluß bestimmter Wissenschaftler vom wissenschaftlichen Diskurs zu fordern. Vor drei Jahren war es eine britische Hochschullehrer-Gewerkschaft, jetzt sind es die Kanadier, die einen Boykott israelischer Wissenschaftler fordern. Das ist Irrsinn, so daß ich die folgende Petition gerne unterschrieben habe:

We, the undersigned university faculty members from around the world call upon the members of the Canadian Union of Public Employees (CUPE) to oppose any resolution to ban Israeli academics from teaching in Ontario or anywhere else. The current resolution invokes, as justification for the proposed ban, bombing that damaged the Islamic University in Gaza on December 29. Sid Ryan of CUPE's Ontario University Workers Coordinating Committee says: "Israeli academics should not be on our campuses unless they explicitly condemn the university bombing and the assault on Gaza in general." No other country's academics have been the targets of such union action before, whether or not their country was at war. Israel is engaged in a war to defend its people against an enemy that has been firing missiles at Israeli civilians for years. The enemy, Hamas, had been using the Islamic University as a training camp, launching pad, and weapons depot. Other universities in Gaza were not Hamas facilities and were therefore not bombed.

The proposed ban clearly represents ethnic discrimination, and the proposed ideological litmus test is a violation of free speech. The members of the University and College Union in England recently rejected a similar proposal because of its discriminatory nature, and we urge the Ontario CUPE members to reject the proposal now before them.

To show our solidarity with our Israeli academics in this matter, we, the undersigned, hereby declare ourselves to be Israeli academics for purposes of any academic boycott. We will regard ourselves as Israeli academics and decline to participate in any activity from which Israeli academics are excluded.


Für das Protokoll: Würde jemand fordern, palästinensische Wissenschaftler zu boykottieren, weil Hamas israelische Städte mit Raketen beschießt, dann wäre das ein ebenso gefährlicher Unsinn.

Und nun genug der Politik, zurück zur Wirtschaft.

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Vorbereitung ist alles

Ein langes Zitat, aber es scheint mir den Nagel auf den Kopf zu treffen:

Now, of course, this is probably just ordinary academic uncertainty. Yet from the perspective of the philosophy of science, this seems like the beginning of what Karl Popper and Hans Albert, philosophers who emphasized the importance of rational criticism of theories, called an “immunizing strategy.” (See Karl R. Popper, The Logic of Scientific Discovery, Chapter. 1.)

For example, suppose the fiscal stimulus policy is perceived to have failed. Has the theory been refuted? “No” will be the likely answer because the stimulus was not large enough. But if we are indeed out of the realm of the available evidence then such a statement is purely ad hoc – a fancy term for an expedient intellectual invention. Today’s Keynesians are getting nervous. They are either at the threshold of their greatest victory or at the precipice of their greatest failure. They want to be prepared for either.


Mario Rizzo in seinem Weblog, ThinkMarkets.

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Der Stimulus wird teuerer

Am Mittwoch letzter Woche ist eine Auktion zehnjähriger deutscher Staatsanleihen gescheitert. Die Bundesbank wollte Anleihen im Wert von sechs Milliarden Euro verkaufen, hat aber letztendlich nur welche im Wert von 4,1 Milliarden abgesetzt. Die Nachfrage war offenbar nicht berauschend.

Das ist kein Weltuntergang und noch nicht dramatisch. Der Finanzierungsbedarf der öffentlichen Haushalte in der ganzen Welt steigt derzeit an, und wenn Milliarden zusätzlicher, relativ zinsunelastischer öffentlicher Kreditnachfrage auf die Märkte schwemmen, dann werden die Zinsen steigen müssen. Zahlungskräftige europäische Länder müssen sich keine Sorgen um einen drohenden Staatsbankrott machen, aber sie werden sich darauf einstellen müssen, daß die Schuldenpolitik für sie langsam wieder teuerer wird, nach einer Phase mit sehr niedrigen Zinsen.

Bedenklicher ist natürlich, daß uns dies ein vermehrtes crowding out bescheren wird: öffentliche verdrängt private Nachfrage nach Ersparnissen, die expansive Fiskalpolitik geht zulasten privater Investitionen.

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Der amerikanische Arbeitsmarkt seit 1950

Brad DeLong nennt dies hier seinen favorite graph, und zwar weil er zeigt, wie enorm der Effekt der aktuellen Rezession auf den Arbeitsmarkt der USA ist.



Die Beschäftigtenquote der USA, 1950-2008.
Quelle: Brad DeLong.

Man sieht hier eine lange Zeitreihe des Verhältnisses zwischen der Anzahl der Beschäftigten (ohne Militär) und der Anzahl der Einwohner der USA, beginnend 1950. Und tatsächlich, DeLong hat natürlich Recht, diese Zeitreihe zeigt gerade auch im Vergleich zu früheren Rezessionen, wie dramatisch der Beschäftigungsabbau aktuell ist.

Für einen Freund der langen Frist wie mich hat diese Abbildung allerdings auch das Potential zur Lieblingszeitreihe, vor allem wenn man noch die zugrunde liegende Entwicklung der Einwohnerzahl der USA in diesem Zeitraum berücksichtigt:



Die Einwohnerzahl der USA in Tausend, 1952-2008.
Quelle: Economagic.

Dank Einwanderung und Babyboom hat sich diese Einwohnerzahl nämlich, über den Daumen gepeilt, verdoppelt. Dennoch ist die Beschäftigtenquote über den langfristigen Trend seit 1950 deutlich angestiegen. Soviel zu all den populären Thesen, daß dem Kapitalismus die Arbeit ausgeht, daß Einwanderer den Einheimischen die Arbeit wegnehmen, und was es noch so alles gibt in dieser Richtung.

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Von weiteren Schwierigkeiten, 775 Milliarden Dollar auszugeben

Arnold Kling schreibt zum amerikanischen Stimulus-Plan:

The arithmetic is mind-boggling. If 500 people have meaningful input, and the stimulus is almost $800 billion, then on average each person is responsible for taking more than $1.5 billion of our money and trying to spend it more wisely than we would spend it ourselves. I can imagine a wise technocrat taking $100,000 or perhaps even $1 million from American households and spending it more wisely than they would. But $1.5 billion? I do not believe that any human being knows so much that he or she can quickly and wisely allocate $1.5 billion.

Das ist die eine, die Hayekianische Seite, die das Wissensproblem betont: Wie in aller Welt soll ein Staatsangestellter in der gebotenen Eile eine informierte Entscheidung über die sinnvolle Verwendung solcher Summen treffen können? Es wird tatsächlich kaum gehen, und dabei ist Arnold Kling in seiner Kritik noch großzügig. Denn er weist zwar auf die Schwierigkeit der Zentralisierung von Wissen hin, geht aber ansonsten von einem mehr oder weniger effizient funktionierenden politischen Prozeß aus. Von Lobbying und dessen Folgen ist bei ihm noch gar keine Rede.

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Das Innenleben des Rupert Murdoch

Michael Wolff, autorisierter Biograph von Rupert Murdoch, in der Süddeutschen Zeitung vom 7.1. (S. 15):

Fox News ist weiterhin sehr konservativ, aber das hat mehr mit Roger Ailes zu tun, dem Chef von Fox News, als mit Rupert Murdoch. Murdoch ist von Fox News zunehmend peinlich berührt. Aber er macht eine Menge Geld damit, und das ist seine Priorität.

Peinlich berührt ist Murdoch, so Wolff, weil er unter dem Einfluß seiner aktuellen Ehefrau zunehmend liberal geworden sei und dem Konservatismus abgeschworen habe.

Wirklich wichtig ist Murdochs politisches Seelenleben allerdings eigentlich nicht. Interessanter ist die Frage: Was maximieren eigentlich kommerzielle Medien? Ihren Gewinn, oder ihren ideologischen Einfluß in dem Sinne, daß sie die politischen Positionen ihrer Eigentümer unter die Leute bringen?

Wenn man Wolff glaubt, dann ist es der Gewinn. Wenn man Riccardo Puglisi glaubt, dann ist es eher die Ideologie.

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Von der Schwierigkeit, 775 Milliarden Dollar auszugeben

Barack Obama und seine Mannschaft planen offenbar, rund 300 Milliarden Dollar des geplanten Konjunkturpakets in Form von Steuersenkungen unter die Leute zu bringen. Keine schlechte Idee, wenn man schon unbedingt einen fiskalpolitischen Stimulus organisieren möchte.

Begründet wird dies allerdings nicht mit einer neu aufkeimenden Begeisterung für Steuersenkungen per se, sondern vor allem mit politischen Erwägungen: die Unterstützung der Republikaner im Kongreß gibt es nur mit Steuersenkungen. Eine Rolle dürfte aber auch spielen, daß man es in der gebotenen Eile nicht schafft, in noch größerem Umfang sinnvolle und schnell realisierbare Projekte auf der Ausgabenseite des Budgets zu planen.

In diesem Zusammenhang schreibt Ed Glaeser einen Kommentar, der auch im Hinblick auf den angekündigten deutschen Fiskal-Stimulus interessant ist:

The country needs to invest steadily and wisely on infrastructure, not rush hundreds of billions of dollars out the door. Really expensive projects, like the Big Dig, can take many years to plan, permit, and build. Our roads require ongoing maintenance, not a big push. Moreover, fairness and economic efficiency dictate that infrastructure should generally be paid for by users, not general tax revenue. It is appropriate that gas taxes pay for federal highway aid. Using general revenues to build highways means more subsidies for carbon-emitting cars. The country should take infrastructure investment seriously, but infrastructure spending is unlikely to be sound stimulus.

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Die andere Seite der Medaille

Der Historiker Götz Aly hat 2005 in seinem Buch Hitlers Volksstaat darauf hingewiesen, daß man zur Erklärung der Verbrechen des Nationalsozialismus nicht nur rassistische und völkische Motive heranziehen sollte, sondern daß handfeste, materielle Verteilungsinteressen ebenfalls eine Rolle spielten. In der weiteren Diskussion um Alys Thesen klang dann auch gelegentlich der Versuch einer historischen Stigmatisierung des Wohlfahrtsstaates durch.

Leider wäre für ein solches Argumentationsmuster aber auch eine Privatisierungspolitik anfällig:

The Great Depression spurred State ownership in Western capitalist countries. Germany was no exception; the last governments of the Weimar Republic took over firms in diverse sectors. Later, the Nazi regime transferred public ownership and public services to the private sector. In doing so, they went against the mainstream trends in the Western capitalist countries, none of which systematically reprivatized firms during the 1930s. Privatization in Nazi Germany was also unique in transferring to private hands the delivery of public services previously provided by government. The firms and the services transferred to private ownership belonged to diverse sectors. Privatization was part of an intentional policy with multiple objectives and was not ideologically driven. As in many recent privatizations, particularly within the European Union, strong financial restrictions were a central motivation. In addition, privatization was used as a political tool to enhance support for the government and for the Nazi Party.

Aus dem Abstract des Papiers Against the Mainstream: Nazi Privatization in 1930s Germany von Germà Bel. Gefunden bei Marginal Revolution.

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In the long run

Im SPIEGEL beschreibt Harald Welzer, wie es in gesellschaftlichen Krisen dazu kommt, daß die Menschen oft gar nicht merken, wie schlimm die Situation eigentlich ist. Als Beispiel führt er Franz Kafka an, der am 1. August 1914 die Kriegserklärung Deutschlands an Rußland mit einem Tagebucheintrag über seinen Schwimmunterricht quittierte.

Aus ökonomischer Sicht hat man dagegen oft das Gefühl, daß es sich genau andersherum verhält, weil nicht selten ein gewöhnlicher konjunktureller Abschwung publizistisch zur finalen Systemkrise des Spätkapitalismus stilisiert wird.

Nun haben wir im Moment sicherlich keinen konjunkturellen Abschwung wie jeden anderen. Das Jahr 2009 wird wohl ungewöhnlich unangenehm, die Wachstumsprognosen gehen im negativen Bereich bis zu -2,7%. Rezessionen sind niemals schön, wenn man mittendrin steckt und sich um sein Einkommen sorgt.



Bruttoinlandprodukt in Deutschland pro Kopf,
bewertet zu Preisen von 2000.
Quelle: Penn World Tables 6.2.

Ein wenig Trost spendet es da vielleicht, wenn man sich einfach nochmal anschaut, wie klein die Dellen vergangener Rezessionen im langfristigen Wachstumstrend aussehen. Selbst wenn es diesmal schlimmer werden sollte als in allen Rezessionen seit 1970 -- langfristig war, ist und bleibt der Kapitalismus die Grundlage enormer Wohlstandszuwächse.

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Die nächsten Opfer sinkender Ölpreise

Ecuador plant, noch in diesem Monat seine in den Jahren 2012 und 2030 fällig werdenden Staatsanleihen zurückzukaufen, allerdings mit Abschlägen von mindestens 70 Prozent vom Nennwert. Offiziell passiert dies, weil Präsident Correa diese Staatsleihen nunmehr für "illegitim und illegal" hält. De facto haben drastisch gesunkene Einnahmen des Landes aus dem Ölexport dazu geführt, daß Ecuador die im Dezember fällig gewesenen Zinsen auf diese Anleihen schon lieber nicht mehr zahlen wollte. Mehr hier.

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Der Silberstreif am Horizont?

Die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte in den USA steigen seit kurzer Zeit wieder an.



Quelle: Macroblog

Der Zacken ist das Resultat der Steuerschecks im Frühjahr, also ein künstlich herbeigeführter und nur sehr kurzfristiger Anstieg. Das spätere Wachstum der verfügbaren Einkommen hingegen ist "echt".

Man sollte es nicht überbewerten, aber es ist zumindest ein Frühindikator dafür, daß die Rezession in den USA nur eine kurze sein könnte.

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Ein moralisches Dilemma

Es betrifft ein politisch vermintes Terrain, aber gerade in diesen Tagen ist es vielleicht nützlich, nochmal auf ein etwas älteres Papier hinzuweisen:

Raphael Franck, Arye Hillman und Miriam Krausz, Public Safety and the Moral Dilemma in the Defense Against Terror, Defence and Peace Economics 16 (2005): 347-364.

Dort wird folgende Situation analysiert: Es gibt zwei Populationen, die eine besteht aus potentiellen direkten Opfern terroristischer Attacken, die andere sowohl aus Terroristen, als auch aus wohlmeinenden Zivilisten. Das moralische Dilemma folgt daraus, daß die Angehörigen der ersten Population nicht sicher unterscheiden können, wer in der zweiten Population Terrorist und wer Zivilist ist. Maßnahmen zur Abschreckung von Terroristen treffen immer auch Zivilisten, etwa in Form von strikten Grenzkontrollen und Einreiseverboten, oder, wie im aktuellen Fall, noch wesentlich katastrophaleren Folgen.

Die drei Autoren stellen sich nun die Frage, wie unterschiedliche denkbare Entscheidungsträger in einer rationalen Wahl mit diesem Dilemma umgehen. Ein wesentliches Resultat ist, daß es problematisch ist, ein von den Autoren sogenanntes Neo-Nietzscheanisches, geläufiger wäre vielleicht: Rawlssches, Wohlfahrtskriterium anzulegen, das eine Verbesserung der Situation nur dann für gegeben hält, wenn die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft besser gestellt werden. Dieses hat nämlich eine wesentliche Konsequenz:

Neo-Nietzschean principles invite a contest of suffering in the quest for favor with the external judges. It is costly to be in the position that finds favor with neo-Nietzschean judges.

Rawlssche externe Beobachter werden sich stets gegen Versuche aussprechen, Terrorismus zu bekämpfen, sofern die Bekämpfung von Terrorismus auch negative Effekte auf die zivile Bevölkerung hat. Das bedeutet aber in der Praxis: Terroristen, die auf internationale Unterstützung hoffen können, wenn sie -- scheinbar -- eine "schwache" Population repräsentieren, haben einen gewissen Anreiz, dafür zu sorgen, daß die Menschen in ihrer Population tatsächlich schwach sind. Dies scheint eine ganz akkurate Darstellung der Anreize zu sein, unter denen etwa die Terrororganisation Hamas operiert.

Zweifellos, der moralische Impuls, sich zunächst auf die Seite der Schwächsten zu stellen, ist eigentlich sehr ehrenvoll und nachvollziehbar. Aber in der politischen Praxis terroristischer Bedrohungen setzt man damit sehr problematische Anreize gerade für politische Terrororganisationen wie Hamas, die auch noch unmittelbare politische Macht ausüben und damit einen direkten Einfluß auf die Wohlfahrt ihrer eigenen Bevölkerung haben.

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Konjunkturpolitik 2009

Nach allem, was man derzeit weiß, hatten die Steuererstattungen, die in den USA im Frühjahr 2008 an die privaten Haushalte verteilt wurden, einen positiven Effekt auf deren Konsumausgaben. Besonders profitiert haben davon Ausgaben für haltbare Konsumgüter (beispielsweise Elektronikartikel), aber auch die Ausgaben für Unterhaltung, Dienstleistungen und Nahrungsmittel. Allerdings war dieser Effekt naturgemäß nur kurzfristiger Natur -- es wurde ja auch nur das kurzfristige Einkommen der Haushalte nennenswert erhöht, während ihr permanentes Einkommen praktisch gleich blieb.

Das Programm kostete den amerikanischen Fiskus etwa 100 Milliarden US-Dollar. Ausreichend zur Verhinderung einer tiefen Rezession war dies offensichtlich nicht. Vielleicht ist das nicht einmal überraschend, denn die großen Schwierigkeiten liegen im Kapitalmarkt. Werden die Banken wieder deutlich bereitwilliger Geld an Unternehmen verleihen, wenn die Konsumnachfrage zunimmt? Oder klemmt es dort nicht doch in einer Weise, die eher geschickte Interventionen der Zentralbank im Bankensektor erfordern?

Natürlich ist die traditionelle Geldpolitik an ihren Grenzen angelangt, wenn die Zentralbankzinsen gegen Null gehen. Aber die Fed unter Ben Bernanke zeigt, daß man auch andere Wege gehen kann, um zusätzliches Geld in Umlauf zu bringen. Das Argument, daß die Geldpolitik nichts mehr ausrichten könne und daß nur noch die Fiskalpolitik eine tiefe Rezession verhindern könne, ist jedenfalls nicht ganz wasserdicht. Milton Friedmans Helikopter, der frisches Geld abwirft, wurde noch nicht gesichtet.

Und in Deutschland? Einige Autohersteller müssen verkraften, ein ganzes Viertel weniger Autos als im Vorjahr verkaufen zu können. Vielen Maschinenbauern geht es auch nicht besser, und oft genug ist es gerade eine wegbrechende ausländische Konsum- und vor allem Investitionsnachfrage, die dafür verantwortlich ist. Wie treffsicher wird da ein defizitfinanziertes öffentliches Konjunkturprogramm sein, das möglicherweise doch wieder einmal nur auf eine künstliche Aufblähung der Bauwirtschaft durch öffentliche Infrastrukturnachfrage hinausläufen wird? Zumal es da, wenn man alternativ die Konsumnachfrage stärken wollte, noch ein weiteres Problem gibt: Wie Daniel Gros schreibt, sind deutsche Haushalte im großen und ganzen ziemlich solvent. Ein großer Effekt von defizitfinanzierter Konsum-Ankurbelung wäre aber gerade dann zu erwarten, wenn die Haushalte wenig liquide wären. Wenn also der Staat sich stellvertretend für die Haushalte verschuldet und ihnen Ausgabenspielräume verschafft, die sie aus ihrem eigenen Vermögen nicht mobilisieren können, oder von privaten Banken nicht bekämen.

Es gibt also tatsächlich ein gutes Argument dafür, daß -- selbst wenn man die grundsätzliche Wirksamkeit fiskalpolitischer Stimuli für gegeben hält -- Deutschland hier viel weniger aktiv werden sollte, als etwa Großbritannien. Wenn man doch etwas für den kurzfristigen privaten Konsum tun will, dann würde sich allerdings wohl eine Steuerreform anbieten. Die Tarif in der Einkommensteuer könnte im sogenannten 'Mittelstandsbuckel' endlich abgeflacht werden, dort wo derzeit die Grenzsteuersätze für kleine und mittlere Einkommen besonders schnell steigen, und wo man am ehesten mit einer bindenden Liquiditätsrestriktion rechnen kann.

Letztendlich scheint aber die Gefahr zu bestehen, daß die aktuelle Krise immer mehr als reines Konjunkturproblem wahrgenommen wird, als Liquiditätsfalle, der man mit dem traditionellen fiskalpolitischen Instrumentarium beikommen muß. Zielgenauer wäre es vielleicht, mehr Mikromanagement im Bankensektor zu betreiben, also etwa die Banken tatsächlich zwangsweise mit zusätzlichem (öffentlichem) Eigenkapital auszustatten, und auch darüber hinaus den Sand im Getriebe der Kreditvergabe durch entsprechende Anreize zu beseitigen. Ist es nicht wahrscheinlich, daß wir es hier mehr mit temporären Unvollkommenheiten des Kapitalmarktes aufgrund der Finanzkrise zu tun haben, und nicht so sehr mit einer eigentlichen Liquiditätsfalle?

Aber selbst wenn. Drastisch und bildlich gesprochen: Druckt Geld, werft es vom Hubschrauber ab. Selbst wenn die Haushalte zunächst Deflationserwartungen haben: Ab einer bestimmten Zahl von Helikopterladungen wird sich das ändern, sie werden es ausgeben, und da haben wir den Stimulus. Die angebliche Wirkungslosigkeit der Geldpolitik überzeugt mich nicht.

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Ein weiteres Ökonomieblog

Es gibt bereits eine ganze Reihe von deutsch- und englischsprachigen Ökonomieblogs, so daß man sich mit einigem Recht die Frage stellen kann: Wieso noch eines?

Daher vielleicht einige Worte zur Vorgeschichte: Ganz neu ist der Autor dieser Zeilen als Blogger nicht; seine früheren Aktivitäten in dieser Hinsicht kann man hier besichtigen. Nach einer längeren Blogpause habe ich mich entschlossen, nun ab und zu mal wieder ins Netz zu schreiben, einfach weil es mir Spaß macht, dies gelegentlich zu tun.

Die Agenda ist damit klar: Dies hier ist ein ökonomisches Notiz-Blog, in dem ich dann und wann das eine oder andere Argument zur Wirtschafts- und Finanzpolitik aufschreiben will, oder auch einige Gedanken zu Forschungspapieren, die ich vielleicht gerade gelesen habe.

Im Gegensatz zum Vorgängerblog geht es hier um eines nicht mehr: um Politik allgemein. Ich habe im vorherigen Blogleben festgestellt, daß allgemeine politische Diskussionen im Internet kaum zu führen sind, ohne daß sich gleich (z.B. parteipolitische) Fronten bilden und verhärten. An dieser Art der Auseinandersetzung habe ich allerdings keinerlei Interesse, daher erfolgt hier die thematische Eingrenzung auf das Ökonomische. Und es gibt den Hinweis vorweg, bitte auch eventuelle Diskussionen in den Kommentaren sachlich und konstruktiv zu führen.

Ein Wort noch zum Schluß: Es geht hier auch nicht um Reichweitengewinn oder ähnliche Ziele. Falls dieses Blog interessierte Leser finden wird, dann freut es mich, aber wenn nicht, dann erfüllt es immer noch seinen eigentlichen Zweck, nämlich als elektronischer Notizblock für mich selbst.

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