* * *


Entwicklungshilfe kann funktionieren


Quelle: Aid Watch.

Ein schöner Trend, aber ein Blick auf die Zeitachse zeigt, daß es quälend lang dauerte. Das zugrunde liegende Papier von Bill Easterly, forthcoming im Journal of Economic Literature, ist sehr interessant. Wer noch denkt, daß die langfristige Entwicklung Afrikas für Europa nicht so wichtig ist, kann vorher noch dieses Interview im Spiegel lesen.

Permanenter Link


* * *


Der Fluch der Partialanalyse

In der Financial Times Deutschland kann man ein Lob der Abwrackprämie lesen, welches in folgender Behauptung kulminiert:

Wenn Opel und Ford außerdem melden, dass sie Kurzarbeit dank der Abwrackprämiennachfrage jetzt wieder aussetzen, zeigt das, was es heißen kann, eine Spirale zu stoppen und Kollateralschäden zu begrenzen. Ohne Abwrackschub wären besagte Kurzarbeiter mit hoher Wahrscheinlichkeit in ein paar Monaten echte Arbeitslose, die dann auch kein Geld mehr für Autos, Sofas oder Kühlschränke hätten – und den Staat noch mehr Geld kosten.

Da setzt sich Thomas Fricke nun aber selbst Scheuklappen auf. Er guckt sich einen Markt an, den für Automobile, und freut sich, daß die Abwrackprämie dort Arbeitsplätze rettet. Nun ist dies tatsächlich schön für jeden, der bei Opel oder Ford arbeitet und nun für einige Monate aus der Kurzarbeit heraus ist. Nämlich bis zum Spätsommer oder Herbst, wenn sich die Automobilnachfrage wieder auf oder unter dem Niveau stabilisiert hat, das sie vor der Intervention hatte. Aber wenn Fricke seine Scheuklappen ablegt und sich mal überlegt, was gesamtwirtschaftlich passiert, dann wird er schon jetzt auf folgende Dinge stoßen:

(i) Die Abwrackprämie führt dazu, daß Automobile vernichtet werden, die noch einen positiven Wert haben und eine ganze Weile gute Dienste leisten könnten. Das sollte man berücksichtigen, wenn man Kosten und Nutzen der Abwrackprämie abwägt, denn sonst fällt man auf die broken window fallacy herein.

(ii) Neue Nachfrage oder neu alloziierte Nachfrage? Eine Menge Konsumenten haben gerade ihr neues Auto mit der Abwrackprämie angezahlt, und in den nächsten drei, vier Jahren werden diese Leute den Rest des Kaufpreises in Raten abstottern. Das Geld muß irgendwo herkommen. Also kaufen sie demnächst ihre Wurst nicht mehr beim Metzger, sondern im Supermarkt, oder sie schieben die Renovierung ihres Wohnzimmers auf, oder, oder, oder... Die unterbrochene Kurzarbeit bei Opel, die sieht man, das ist eine Schlagzeile. Die verstreuten, entlassenen Baumarktmitarbeiter oder insolventen Metzgermeister fallen da schon weniger ins Auge.

(iii) Ich will ja nicht behaupten, daß Ricardianische Äquivalenz in einem strikten Sinn gilt, aber der eine oder andere Haushalt wird angesichts des aktuellen Anstiegs der öffentlichen Verschuldung durchaus spätere Steuererhöhungen antizipieren und mehr sparen. Also fällt weitere Konsumnachfrage weg, irgendwo, wo keine subventionierten Automobile verkauft werden.

Das sind nur drei Beispiele zur Illustration, man kann sich natürlich noch viele weitere Effekte vorstellen. Unterm Strich ist das Resultat der Abwrackprämie jedenfalls vor allem: Umverteilung, und zwar hin zu Automobilherstellern mit potenter politischer Interessenvertretung. Das ist kein free lunch, sondern ein Spaß, der von vielen verstreuten und politisch schlecht organisierten Betroffenen bezahlt wird. Der FTD-Chefökonom sollte selbst mal ein wenig die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stimulieren und sich einen Klassiker der politischen Ökonomik bestellen. Aber nicht aufschieben, bis es im Rahmen des sicher bald auf der Agenda erscheinenden dritten Konjunkturpaketes auch noch Büchergutscheine geben wird!

Permanenter Link


* * *


Wie es zur Subprime-Krise kommen konnte

Eine humoristische Perspektive:

Permanenter Link


* * *


The Beagle has landed


The HMS Beagle in Murray Narrow, Beagle Channel von Conrad Martens.
Quelle: Wikipedia, zuerst gefunden bei Andrew Sullivan.

Was das Darwin-Jahr mit Ökonomik zu tun hat? Sehr viel, möglicherweise:

Darwin himself suggested the idea of generalizing the core Darwinian principles to cover the evolution of social entities. Also in the nineteenth century, influential social scientists proposed their extension to political society and economic institutions. Nevertheless, misunderstanding and misrepresentation have hindered the realization of the powerful potential in this longstanding idea. Some critics confuse generalization with analogy. Others mistakenly presume that generalizing Darwinism necessarily involves biological reductionism. This essay outlines the types of phenomena to which a generalized Darwinism applies, and upholds that there is no reason to exclude social or economic entities.

Das Papier zum Abstract ist hier, viel mehr zum Thema gibt es bei Geoff Hodgson.

Permanenter Link


* * *


Was tun wenn's brennt?

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis irgendwo in der Eurozone Banken insolvent werden, die sowohl too big to fail, als auch, aus nationaler Perspektive too big to save sind. Banken also, von deren Bankrott ein Systemrisiko ausgeht, und die zugleich so groß sind, daß ihre Rettung Mittel erfordern würde, die von kleineren Ländern nicht ohne weiteres ausgebracht werden können.

Eine plausible Vermutung ist, daß es in einigen Wochen oder spätestens Monaten Österreich erwischen wird, dessen Banken sehr stark in Osteuropa engagiert sind. Von dort aber kommt noch ein gehöriger Abschreibungsbedarf auf die österreichischen Institute zu. Die Österreicher hoffen, wie berichtet wird, im Ernstfall auf einen schnellen und unbürokratischen Bailout aus Deutschland.

Wenn sie sich da mal nicht irren. Es ist nicht ganz leicht, sich mitten im Wahljahr eine unpopulärere Maßnahme vorzustellen, als einen Transfer nach Österreich. Ich denke nicht, daß es dazu kommen wird. Was also tun, wenn der Ernstfall eintritt? Am ehesten könnte man sich vielleicht wünschen, daß die EZB ähnlich zu "unkonventioneller" Geldpolitik und quantitative easing greifen wird, wie es die amerikanische Notenbank tut. Sie könnte ihre eigene Bilanz verlängern, indem sie großzügiger Geld direkt an betroffene Banken verleiht, oder auch riskantere Wertpapiere von diesen aufkauft, als sie es bisher zu tun bereit ist.

Dummerweise gibt es da, wie Willem Buiter vor einiger Zeit bemerkte, noch einige institutionelle Lücken:

Who, after all, backs the ECB/Eurosystem fiscally? The US Department of the Treasury backs the Fed. HM Treasury backs the Bank of England. Do the national Treasuries of the 16 member states that make up the Eurozone back the ECB/Eurosystem if it needs aggregate recapitalisation? Do the national Treasuries of the 27 EU member states whose national central banks (NCBs) are the shareholders of the ECB back the ECB/Eurosystem fiscally? There is a sharing rule among the 16 NCBs that, together with the ECB, make up the Eurosystem. But this sharing rule concerns only the sharing of losses incurred in the conduct of the common monetary and liquidity management policy. It does not change the total amount of capital of the Eurosystem, only its distribution.

This glaring hole in the construction of the ECB/Eurosystem - the absence of a clear, credible fiscal back-up for the ECB/Eurosystem - must be plugged forthwith. The long-term solution is an independent supranational Eurozone fiscal authority with independent tax and borrowing powers. The interim solution is a Fund of, say, €3 trillion, created by the governments of the Eurozone member states, that can be accessed, with the consent of a qualified majority of the Eurogroup member states, to recapitalise the ECB/Eurosystem, should its capital be depleted to the point that its ability to fulfill its price stability mandate is under threat.


Der Ernstfall ist absehbar. Auch wenn noch nicht klar ist, wo er eintreten wird, so kann man doch ziemlich sicher erwarten, daß er eintreten wird. Hoffen wir mal, daß für diesen Fall auf der europäischen Ebene schon mehr vereinbart und koordiniert ist, als wir im Moment wissen.

Permanenter Link


* * *


Das glückliche Scheitern des Umweltgesetzbuches

Vor einer Woche erklärte Bundesumweltminister Gabriel das Projekt eines einheitlichen Umweltgesetzbuches für gescheitert. Kurz darauf, im Handelsblatt vom 3.2.2009, prognostizierte Klaus Stratmann in einem Leitartikel, daß die Folgen dieses Scheiterns fatal sein werden, gerade für kleine und mittelständische Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilungen. Denn diese seien „künftig mit einem noch stärker zersplitterten Umweltrecht konfrontiert, das für sie in jedem Land neue Überraschungen bei der Genehmigung von Anlagen bereithält.“ Da ist sie also wieder, die allgegenwärtige Bedrohung durch Unübersichtlichkeit überall dort, wo man die Gelegenheit zur Vereinheitlichung fahrlässig verstreichen läßt.

Mehr in der Abteilung für lange Blogeinträge.

Permanenter Link


* * *


Neues vom Konsens über die Notwendigkeit eines Fiskalstimulus

Stefan Homburg über die Krise, in der ZDF-Mediathek.

Und dann noch ein Statement von Robert Barro:

I am not sure what you mean by "consensus." You don't think it's pretty wild to have a multiplier of 1.5, so that government spending is not only free, it has negative costs? The only informative empirical work I know of (from Valerie Ramey and my own work) finds multipliers associated with defense spending that are positive but less than one. In Valerie's work, this shows up as a negative effect from added government military purchases on private consumer spending. Multipliers for other forms of government spending are imprecisely determined but are not significantly different from zero. Actually, I hope that my current long-term empirical project will shed more light, including macro effects from changes in marginal tax rates.

You want me to ignore good economic theory and empirical analysis and pretend that a voodoo multiplier above one should be respected as a "consensus?"

Permanenter Link


* * *


Die Schuldenbremse

Die Föderalismuskommission hat die Einführung einer Schuldenbremse beschlossen: Bis 2020 soll die Nettoneuverschuldung der Bundesländer auf Null heruntergefahren werden, der Bund behält einen Spielraum von 0,35 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Na gut, denkt man sich, sowas kennt man ja - die Ankündigung, irgendwann in fünf bis zehn Jahren einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen zu können, gehört schließlich seit ungefähr 1983 zum Standardrepertoire eines jeden Finanzministers.

Aber etwas ist diesmal anders: Diese Schuldenbremse soll noch vor der Sommerpause im Grundgesetz verankert werden und im Gegensatz zu den weichen, leicht auszuhebelnden Vorschriften des aktuellen Art. 115 GG soll es diesmal eine klare, eindeutige und unumgehbare Verfassungsnorm werden.

Es gibt sicherlich im Detail und auch grundsätzlich einiges auszusetzen. Wenn etwa die Länder ein striktes Verschuldungsverbot haben, der Bund aber immer noch einen begrenzten Verschuldungsspielraum, dann kann man sich vorstellen, daß demnächst neue vertikale Transfers die Länderautonomie noch etwas mehr erodieren lassen. Bei Spiegel-Online allerdings veröffentlicht Sebastian Dullien eine Philippika mit ganz anderen Einwänden, die ich, ehrlich gesagt, nicht verstehe. Hier sind drei verwunderte Anmerkungen:

(i) Dullien moniert, daß die Schuldenbremse in den Verfassungsrang erhoben wird, wo doch Wirtschaftspolitik so unvorhersehbar sei und sich ständig ändere. Aber das ist ja gerade der Punkt. Es geht darum, durch übergeordnete Regeln Verläßlichkeit zu schaffen und den kurzfristigen Entscheidungsspielraum eigennütziger Politiker zu reduzieren. Das ist doch gerade der Sinn konstitutioneller checks and balances. Man wird doch auch nicht die Disposition über einen Wurstvorrat dem kurzfristigen Pragmatismus seines Hundes überlassen.

(ii) Diese alte Lastenverteilungsgeschichte: Öffentliche Schulden werden damit gerechtfertigt, daß damit öffentliche Güter finanziert werden, von denen auch zukünftige Generationen etwas haben. Also könnten sie ja auch zu ihrer Finanzierung beitragen, und dafür sorgen wir, indem wir diesen Generationen Zins- und Tilungslasten hinterlassen. Aber funktioniert das wirklich so? Erstens: Woher sollen wir beispielsweise wissen, ob die Steuerzahler in dreißig Jahren mit einer heute gebauten Autobahn etwas anfangen können? Vielleicht hat sich bis dahin der Individualverkehr soweit verteuert, daß den zukünftigen Steuerzahlern eine ICE-Strecke viel lieber gewesen wäre. Hinter der Behauptung, heute zu wissen, was die Steuerzahler morgen wünschen, steckt in jedem Fall eine paternalistische Anmaßung. Zweitens: Die implizite Staatsverschuldung inklusive der Lasten der Sozialversicherungssysteme ist ohnehin schon so hoch, daß sich eine weitere Belastung zukünftiger Steuerzahler auch dann nicht rechtfertigen ließe, wenn man dem Lastenverteilungsargument grundsätzlich zustimmen würde.

(iii) Diese Analogien zur Schuldenaufnahme privater Unternehmen bei Dullien kommen mir reichlich fehl am Platze vor. Die regelmäßigen Verstöße gegen die Investitionsschranke des Art. 115 GG sprechen Bände: Öffentliche Verschuldung dient (jedenfalls zu einem großen Teil) regelmäßig dazu, private Ersparnisse in öffentlichen Konsum zu transformieren. Auf der Strecke bleiben dabei effizientere, private Investitionen. Aber es gibt noch einen weiteren Unterschied zwischen sich verschuldenden Unternehmen und einem sich verschuldenden Staat, nämlich völlig verschiedene Anreizstrukturen. Die politisch-ökonomische Theorie der öffentlichen Verschuldung könnte man doch wenigstens zur Kenntnis nehmen, bevor man eine Schuldenbremse kritisiert.

Permanenter Link


* * *


Protektionismus: Es geht wieder los

Simon Evenett präsentiert in einem aktuellen Artikel bei Vox-EU folgende Abbildung:


Man sieht einen drastischen Umschwung; bis zum Oktober 2008 waren in den hier erfassten Ländern noch deutlich positive jährliche Wachstumsraten der Exporte zu beobachten, ab November sind wir im negativen Bereich. Das ist jetzt aber zunächst mal nur das, was man bei einer weltweiten Rezession ohnehin erwarten würde.

Hinter den Daten dort oben steckt noch keine große Welle protektionistischer Handelspolitik. Die kommt erst noch, und sie wird den Welthandel noch weiter abwürgen. Es gab bereits den Vorwurf der Obama-Administration an China, daß dieses seinen Wechselkurs zum Dollar manipuliert. Der casus belli für den Handelskrieg steht damit im Raum. Greg Mankiw berichtet, daß der amerikanische Senat eine buy american-Klausel im Konjunkturpaket fordert: Ressourcen, die z.B. zum vorgeblich konkunkturstimulierenden Infrastrukturausbau genutzt werden, sollen aus dem Inland kommen. Die alte Bush-Administration hatte, als letzte handelspolitische Amtshandlung, schnell noch prohibitiv hohe Einfuhrzölle auf europäische Luxuslebensmittel durchgesetzt. Und Rußland möchte seine Automobilindustrie (von der ich bisher ehrlich gesagt glaubte, sie sei nach 1989 den Weg von Wartburg und Trabant gegangen) ebenfalls mit hohen Einfuhrzöllen schützen.

Jetzt verbreitet die Krise wirklich das Flair von 1930. Es ist erstaunlich, wie die Binnenlogik der Politik immer wieder zu den gleichen handelspolitischen Fehlern führt, und zwar in allen ideologischen und parteipolitischen Lagern. Eigentlich sollte inzwischen jeder wissen, daß Protektionismus zu nichts anderem als einer drastischen Verschärfung der Krise beitragen wird.

Permanenter Link


* * *


Die Tragödie des Patriotismus?

"Wie patriotisch dürfen wir Deutschen sein?" wird gerade im ZDF gefragt, als wäre Patriotismus so selbstverständlich erstrebenswert wie ein gutes Essen, und als würde nur dieser dumme historische Ausrutscher uns den Weg zu einer wunderbaren Identifikation mit dem kollektiven Großen und Ganzen versperren. Tatsächlich wird die Eingangsfrage u.a. vom ZDF-Historiker Guido Knopp eher im Sinne von "Wann dürfen wir als Deutsche auch endlich wieder patriotisch sein?" diskutiert.

Die ökonomische Theorie ist da, ganz allgemein und abseits deutscher Sonderfragen, bezüglich des Wertes von Patriotismus skeptischer. Aus dem Abstract von Kolmar und Wagener (2008):

We analyze the influence of within-group identity (“patriotism”) on the behavior in conflicts. A patriotic identity can align individual and collective incentives within a group. In between-group conflicts, group identities may be harmful, though. We model a rent-seeking contest where each of the two conflicting groups can choose between a patriotic or an individualistic identity. We show the following: (i) Both groups have an incentive to create a patriotic identity if neither group has a large relative advantage in the conflict. (ii) If one group has a large relative advantage in the contest, only this group will create a patriotic identity. (iii) Aligning individual and group interests can actually result in a reduced well-being of all individuals.

Permanenter Link


* * *


Neuer Konjunkturindikator (nachlaufend)

Bloomberg berichtet:

Playboy’s playmates may be lonely at Super Bowl XLIII. The magazine, which hosted a bunny-heavy pre-game extravaganza for nine years of National Football League championships, canceled the gala for the title match between the Pittsburgh Steelers and Arizona Cardinals. Sports Illustrated also called off its party and the NFL reduced the price of some Super Bowl seats for the first time in history.

Jetzt geht's wirklich bergab. Hoffentlich hat Nouriel Roubini diese Nachricht schon berücksichtigt, als er seine jüngste Prognose abgab.

Permanenter Link


* * *


Zur aktuellen Integrationsdebatte

Felbermayr, Hiller und Sala (2008):

Using geography-based instruments and controlling for the sheer population size effect, we find robust evidence for immigration to be non-negatively causally related to per capita income. Hence, immigration gives rise to a gain that can - in principle - be used to make the native population better off without excluding the immigrants from the redistribution scheme.

Soviel zur Evidenz. Es wäre also wohl ein dicker Irrtum, aus den spezifischen Problemen deutscher Integrationspolitik zu schließen, daß Einwanderung an und für sich problematisch ist. Das Gegenteil ist der Fall.

Permanenter Link


* * *


Der schlechte Einfluß von
Law & Economics?

In einem neuen Arbeitspapier fragt sich James Boyd White, wo die Grenzen der ökonomischen Analyse des Rechts sind. Er sieht einige jüngere politische Entwicklungen als Ergebnis der Anwendung eines (wenigstens implizit) ökonomischen Analyseansatzes. Vor allem weist er darauf hin, daß Einschränkungen von Grundrechten mit Tradeoffs und impliziten Kosten-Nutzen-Analysen begründet wurden:

The corrosive effect of “cost-benefit analysis” here is even worse than I have said. The question presented by the ticking bomb case is whether the “known” existence of the ticking bomb justified torture. But of course such a bomb may in fact exist though unsuspected by us; if so, it presents exactly the same real-world danger as if it were known; does that not justify the use of what is euphemistically called “extreme measures” to find out? Indeed anyone may know something that is of comparable value, perhaps without even knowing how important it is. The true need for information is just as great in those cases as in the ticking bomb case itself. To think in terms of a single value that trumps all others, here “national security,” is a form not of rationality but irrationality, ultimately a kind of insanity.

Na gut, aber spiegelt sich hier wirklich der Einfluß eines ökonomischen Forschungsansatzes -- der ohnehin nicht für Grundrechtsfragen gedacht ist? Oder ist das nicht doch einfach nur Politik?

Permanenter Link


* * *


Chicago über den Fiskalstimulus

John Huizinga, Kevin Murphy und Nobelpreisträger Robert Lucas nahmen kürzlich auf einem Podium zur möglichen Wirkung expansiver Fiskalpolitik in den USA Stellung, das Video ist hier.

Permanenter Link


* * *


Yes we can, but I'd rather not

Angesichts des drohenden Einsatzes von Steuereinnahmen in nicht geringem Umfang zur staatlichen Rettung von Schaeffler/Continental muß man einfach nochmal auf diesen Beitrag von Hartmut Kliemt verweisen.

Permanenter Link


* * *


Wertlose Ökonomik?

Uwe Reinhardt, Professor in Princeton, hat in zwei Beiträgen im Economix-Blog der New York Times ein wenig Kollegenschelte betrieben (zu finden hier und hier). Tenor seiner Kritik: (i) theoretische Ökonomik ist wertlos, weil sie auf unrealistischen Annahmen beruht (individuelle Rationalität etc.), daher die Welt nicht versteht und folglich auch die aktuelle Finanzkrise nicht prognostiziert hat, (ii) empirische Ökonomik hilft uns auch nicht weiter, da sie lauter sich widersprechende Resultate generiert und (iii) daraus folgt, daß Ökonomen in politischen Diskussionen nicht getraut werden kann, da sie sich je nach eigenem politischen Standpunkt zur Untermauerung dieser Position jeweils die Ergebnisse heraussuchen, die ihnen in den Kram passen.

Überzeugend finde ich das nicht. Der Sinn theoretischer Modelle ist es nie, ein exaktes Abbild der Realität zu liefern. Sie sollen empirisch überprüfbare Hypothesen generieren. Wenn man sich die Standard-Annahme individueller Rationalität und Eigennutzorientierung ansieht, als wirklich harten und selten hinterfragten Kern ökonomischer Modelle, dann frage ich mich einfach, was die Alternative dazu wäre. Reinhardt schlägt auch keine vor.

Und was seinen kritischen Punkt der fehlenden Prognose der Finanzkrise angeht: Er weist ja selbst darauf hin, daß es Ökonomen wie Robert Shiller oder Nouriel Roubini gab, die es eben doch früh vorhergesehen haben. Das sind aber auch keine Exoten, sondern Leute, die mit ihren Forschungsmethoden im Mainstream stehen. Der Unterschied ist nur, daß sie Informationen anders gewichtet und interpretiert haben, als die Mehrheit es getan hat. Wenn es bei der Mehrheit ein Versagen gab, dann doch wohl weniger auf der Ebene der Forschungsmethoden, als beim paßgenauen Verknüpfen von allgemeinen, aus der Forschung gewonnenen Hypothesen mit den konkreten, aktuellen Informationen, wie beispielsweise Hauspreisindikatoren.

Jeder Meteorologe hat gute Erklärungen dafür, unter welchen Umständen Gewitter entstehen können, aber trotzdem werden gelegentlich sogar Meteorologen beim Bergwandern von Gewittern überrascht. Das macht sie nicht zu schlechten Forschern und die Meteorologie nicht zu einer unnützen Wissenschaft. Es entlarvt sie höchstens als unaufmerksame Bergwanderer.

Permanenter Link


* * *


25.000 Euro für eine Niere

Singapur wird, so wie es aussieht, den Organhandel legalisieren. Die zulässige Höchstkompensation für eine Niere dürfte bei umgerechnet 25.000 Euro liegen.

Vielleicht wird das ja eine neue Wachstumsbranche für Kleinstaaten, neben dem Kerngeschäft als Steueroase: Transplantationstourismus.

Auf den ersten Blick kann man nichts dagegen haben, sofern alles auf Freiwilligkeit beruht: Einem zahlungskräftigen Kranken wird das Leben gerettet, ein Organspender erhält eine ordentliche Summe und -- Achtung, Tautologiealarm! -- beiden geht es am Ende besser, denn sonst hätten sie diesen freiwilligen Handel nicht vereinbart. Außerdem wird die Zahl der für Transplantationen verfügbaren Organe steigen, so daß mehr Leben gerettet werden. Eine großartige Sache, scheinbar.

Aber was ist, wenn sich in der langen Frist doch die informellen Normen der Gesellschaft anpassen? Irgendwann wird vielleicht die zweite, scheinbar überflüssige Niere als mehr oder weniger normaler, veräußerbarer Vermögenswert gesehen. Dann wäre es nur noch ein kleiner Schritt, beispielsweise von Empfängern öffentlicher Transfers zu fordern, doch erstmal ihre eigenen Ressourcen zu nutzen und ihre zweite Niere zu verkaufen.

Permanenter Link


* * *


Der richtige Dollarkurs

Timothy Geithner, designierter Finanzminister der USA, im Finanzausschuß des Senats:

President Obama “believes that China is manipulating its currency” and plans to seek changes to its practices, but “the question is how and when to broach the subject in order to do more good than harm.”

Das alte Problem. Auch die neue Administration braucht chinesische Ersparnisse, um ihre Budgetdefizite zu finanzieren. Aber auf der anderen Seite wünscht sie sich eine Aufwertung der chinesischen Währung, um das amerikanische Leistungsbilanzdefizit zu reduzieren. Das Zitat deutet darauf hin, daß die Finanzierung der expansiven Fiskalpolitik erstmal wichtiger ist.

Andererseits sagt Geithner aber auch:

A strong dollar is in America's national interest.

Dann macht China ja alles richtig.

Einige Wirtschaftsjournalisten, z.B. beim Economist, kommentieren das lakonisch: Das sind eben die Sprüche, die ein angehender Finanzminister aufsagen muß -- es ist, was die Leute hören wollen. Aber ist gerade das nicht das wirkliche Problem? Sollte es nicht möglich sein, breiteren Wählerschichten (oder jedenfalls den Senatoren im Finanzausschuß) einige wenige, grundsätzliche Zusammenhänge zu erklären, so daß sie verstehen, daß sie nicht alles gleichzeitig haben können?

Permanenter Link


* * *


Na dann: Viel Glück!


Eine Synopse des wirtschaftspolitischen Programms der neuen Administration findet sich hier, auf der neu gestalteten und endlich recht übersichtlichen Seite des Weißen Hauses. Darin fordert der neue Präsident auch etwas, nämlich

...a sense of common purpose above the same narrow partisanship; and insist that the first question each of us asks isn’t “What’s good for me?” but “What’s good for the country my children will inherit?”

Mal sehen, ob er mit diesem Wunsch die Abgeordneten und Senatoren im Kongreß erreichen wird, sobald es darum geht, welcher Wahlkreis und welche Interessengruppe welches Stück vom Kuchen des fiskalischen Stimulus bekommt. Zu wünschen wäre es ihm.

Vielleicht sind, trotz der akuten Finanzkrise, am Ende ja ohnehin dieser und dieser Teil des Regierungsprogramms die wichtigeren.

Permanenter Link